Produktivere Projektteams mit Positive Leadership

Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom gelingendem Leben. Sie ist eine Teildisziplin der akademischen Psychologie. Lesen Sie in diesem Artikel, wie Sie die Erkenntnisse der Positiven Psychologie für produktivere Projektteams einsetzen können. Diese und weitere sofort umsetzbare Tools stellten wir auf einem interaktiven Workshop beim pm-forum 2016 in Nürnberg am 18. Oktober 2016 vor.

Was Sie darüber wissen sollten

Positive Psychologie und Positive Leadership sind derzeit in Mode. Was steckt dahinter und wie können wir die Erkenntnisse für unsere tägliche Projektarbeit nutzen um leistungsfähigere Projektteams zu bekommen?

Die Positive Psychologie, wie wir sie heute als Wissenschaft kennen, kann auf Martin Seligman zurückgeführt werden. Seligman, ehemaliger Präsident der American Psychological Association (APA), sagte, dass sich die klassische Psychologie auf die Heilung von mentalen Krankheiten konzentriert, während die Förderung von Talenten und Hilfen für ein erfolgreiches Leben vernachlässigt wird.

Dass ein Umdenken erforderlich wird, zeigt sich auch an einer anderen Stelle. Die Bundespsychotherapeutenkammer berichtet, dass die Fehltage auf Grund von Burnout zwischen 2004 und 2012 um 1400% gestiegen sind. Die World Health Organization (WHO) geht davon aus, dass 2020 Depression die zweithäufigste Volkskrankheit sein wird (Feuerborn, 2016).

In einer globalen Wirtschaft werden Innovationszyklen immer kürzer. Der Wettbewerb wird härter. Das Gallup Institut untersucht jedes Jahr das Engagement der Arbeitnehmer in Deutschland. 2014 hatten 70 % der Befragten nur eine geringe emotionale Bindung an das Unternehmen und machten eher Dienst nach Vorschrift. 15 % haben bereits innerlich gekündigt. Nur 15 % bringen sich voll und ganz ein.

Das Beheben von Schwächen und Erhöhen von Arbeitszeit sowie des Arbeitspensums genügt nicht mehr, um Arbeiter produktiver zu machen.

Um den Bezug zum Projektmanagement herzustellen, möchte ich noch den Chaos Report zitieren. Die Standish Group untersucht jährlich, wie erfolgreich Projekte durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind im Chaos Report hier nachzulesen.

Produktiver Projektteams mit Positive Leadership

Tabelle 1: Ergebnisse des Chaos Reports 2011 – 2015

Die Tabelle 1 zeigt auf einer Basis von 50.000 untersuchten Projekten, wie viele erfolgreich (successful) abgeschlossen wurden. Projekte wurden in der Studie als challenged bezeichnet, wenn sie länger dauerten, teurer wurden als geplant oder nicht der vereinbarte Leistungsumfang geliefert wurde. Als failed wurden Projekte bezeichnet die vor dem geplanten Projektende abgebrochen wurden. In Tabelle 1 erkennt man, dass sich die Werte über den dargestellten Zeitraum nur unwesentlich veränderten.

Wie ist das Ergebnis möglich?

Wie die Gallup Studie und der Chaos Report zeigen, hat sich trotz der Ausbildungen in den Hard-Skills in den vergangenen Jahren wenig geändert. Es wird viel investiert in die Aus- und Weiterbildung von Projektmanagern, in Standardisierung, Normierung und Zertifizierung. Ist der gesamte Aufwand vergeblich, wenn sich nichts verbessert?

Nein. Es braucht ein methodisches Basiswissen zu den Kompetenzen eines Projektleiters, das klassische Handwerkszeug, den Hard-Skills. Es braucht Wissen zu Projektprozessen und Organisationen.

Abbildung 1: Projektleiter als Oktopus

Ein Projektleiter hat viele Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Er muss die Kosten, die Termine und die Qualität des Projektes in der Balance halten. Er muss das Risiko-, Stakeholder- und Changemanagement aktiv betreiben und Projektmarketing sowie Aufwands-, Termin und Kostencontrolling durchführen, sowie Prognosen und Statusberichte erstellen. Das ist wahrlich eine Aufgabe für einen Oktopus. Das Flipchart in Abbildung 1 stammt von unserem Vortrag Leistungsfähiger Projektteams mit Positive Leadership beim pm-forum 2016. Wäre es nicht hilfreich, wenn es Möglichkeiten gäbe, damit die Aufgaben leichter gelingen?

An diesem Punkt setzt Positive Leadership an, das Möglichkeiten erforscht, wie sich das Mitarbeiterengagement aktiv fördern lässt.

Klassisches Beispiel für den Einsatz und die Wirksamkeit von Positiv Leadership ist die Hotelkette Upstalsboom. Im Jahr 2010 hat deren Geschäftsführer Bodo Janssen sein Führungsverständnis von Grund auf verändert. Nicht mehr Management by Objectives, sondern der Mitarbeiter mit seinen Potenzialen steht seither im Mittelpunkt und mithilfe des Positiv Leadership wurde der Fokus auf das gelenkt, was funktioniert. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Zufriedenheit der ca. 600 Mitarbeiter stieg um 80 %. Die Krankheitsquote sank von 8 % auf unter 3 %. Die Unternehmensumsätze konnten verdoppelt werden, und der Ertrag stieg um 40% (Feuerborn, 2016).

Positive Leadership (PL)

Kim S. Cameron hat 2012 in seinem Buch „Positive Leadership: Strategies for extraordinary performance” die Grundlagen für positives Führungsverhalten beschrieben – eine Einstellung der Führungskraft, die es ermöglicht, Mitarbeiter zu mehr Wohlbefinden, Zufriedenheit und letztendlich mehr Einsatz im Arbeitsleben zu führen.

Um diesem Ziel näher zu kommen, entwickelte Cameron vier Basisstrategien.

Demnach führen ein positives Klima, positive Beziehungen, positive Kommunikation und Arbeit mit Sinn zu verbinden, zu einer außergewöhnlichen Leistung von Organisationen. Die vier Basisstrategien sind in Abbildung 2 dargestellt. Wichtig dabei ist, dass die einzelnen Basisstrategien voneinander abhängen.

In seinem Buch weist Cameron anhand zahlreicher Studien die Effektivität seines Modells nach. Quelle: Kim S. Cameron, Positive Leadership, Strategies for extraordinary performance.

Abbildung 2: Vier Strategien für Positive Leadership, Quelle (Cameron, 2012)

Wie kann ich positive Psychologie und Positive Leadership im Projektmanagement einsetzen?

Einer der vier Pfeiler von Positive Leadership ist Positiver Sinn.

Drei Steinmetze sind bei der Arbeit. Der erste erklärt: „Ich klopfe Steine und verdiene damit meinen Lebensunterhalt.“ Der zweite erklärt stolz: „Ich behaue ein Kapitell – und das kann ich wirklich gut.“ Und der dritte sagt mit leuchtenden Augen: „Ich wirke hier mit an der Errichtung einer großen Kathedrale.“

Es ist dreimal dieselbe Tätigkeit beschrieben. Für den Ersten ist seine Arbeit lediglich eine Einnahmequelle. Der Zweite will einer der Besten sein. Der Dritte wird durch eine Vision motiviert. Ihn bewegt der Sinn seiner Arbeit. Der dritte Steinmetz wird am meisten Motivation mitbringen und seine Arbeit am besten tun.

Das Beispiel soll darstellen, dass Projektmitarbeiter eine bessere Leistung erzielen können, wenn sie einen Sinn in Ihrer Aufgabe erkennen. Es ist wichtig, dass ein Projektmitarbeiter entsprechend seiner Fähigkeiten und seiner Werte eingesetzt wird.

Positiver Sinn

Die Psychologen Chris Peterson und Martin Seligman wiesen nach, dass die altbekannten Tugenden Weisheit, Mut, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung sowie die Fähigkeit, spirituelle Erfahrungen zu machen (Transzendenz), auch heute nützlich für die Lebensbewältigung sind und zu mehr Zufriedenheit führen. Die Forscher haben 24 Stärken benannt, die es braucht, um diese Tugenden zu erreichen. Zum glücklichen Leben, haben sie auch entdeckt, gehören nicht nur Genuss und Vergnügen, sondern ebenso, dass man sich für Menschen, den Beruf, Projekte oder die Familie engagiert und dass man das Gefühl hat, das eigene Leben habe einen Sinn. Man kann den sechs Tugenden die 24 Charakterstärken folgendermaßen zuordnen:

Weisheit und Wissen – Kreativität, Neugier, Urteilsvermögen, Liebe zum Lernen und Weisheit.

Mut – Tapferkeit, Ausdauer, Authentizität und Enthusiasmus.

Menschlichkeit – Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit und Sozialer Intelligenz.

Gerechtigkeit – Teamwork, Fairness und Führungsvermögen.

Mäßigung – Vergebungsbereitschaft, Bescheidenheit, Vorsicht und Selbstregulation.

Transzendenz – Sinn für das Schöne, Dankbarkeit, Optimismus, Humor und Spiritualität.

(Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MOTIVATION/Positives-Denken.shtml )

Values in Action – Charakterstärken nutzen

Die sechs Talente und 24 Charakterstärken können über den Test VIA-IS (Values in Action – Inventory of Strengths) messbar gemacht werden. Er wurde unter der Leitung der Psychologen Chris Peterson und Martin Seligman entwickelt (Peterson und Seligman, 2004). Eine deutsche Version des VIA-Fragebogens finden Sie beim Institut für Persönlichkeitsdiagnostik von Prof. Dr. Willibald Ruch der Universität Zürich. Der Test ist gratis unter der Adresse:

www.charakterstaerken.org

verfügbar. Der Test hat 264 Items, 10 pro Charakterstärke und 24 zusätzliche Fragen. Das Ausfüllen des Tests dauert ungefähr 20 Minuten. Als Ergebnis erhält man eine Auflistung der Ausprägung der sechs Talente und 24 Charakterstärken in Tabellenform.

Abbildung 3: Schatten und Licht – Einsatz im Projektmanagement

Anwendung 1 – Einzelcoaching

Eine Anwendung der gefundenen Charakterstärken der Teammitglieder kann ein Einzelcoaching sein. Die Ergebnisse des VIA-Tests stellen nur eine Momentaufnahme dar. Das bedeutet, dass sich einzelne Charakterstärken verändern lassen. Eine Veränderungsarbeit kann immer nur mit dem Willen und dem Einverständnis eines Mitarbeiters durchgeführt werden.

Anwendung 2 – Team-Match

Eine weitere Möglichkeit, die individuellen Charakterstärken der Einzelpersonen zu nutzen ist ein Team-Match als Maßnahme zur Teamentwicklung. Das setzt ein großes Maß an Offenheit und Vertrauen voraus, oder im Sinne von positive Leadership ein positives Klima.

Beim Team-Match werden, eine datenschutzrechtliche Zustimmung vorausgesetzt, die Talentprofile aus dem VIA-Test der einzelnen Teammitglieder vorgestellt. Es erfolgt keine Wertung. In einem zweiten Schritt setzt ein Coach die Charakterstärken der einzelnen Teammitglieder zueinander in Beziehung und erhält damit ein Gesamt-Talent-Profil des Teams.

Ein gemeinsam von einem Coach und dem Team erarbeiteter Aktionsplan stabilisiert die gefundenen Stärken und Talente des Teams.

Durch diese Maßnahme wird auch ein stabiles Fundament gelegt für positive Beziehungen im Team. Eine auf Basis des Team-Matchs durchgeführte Maßnahme zur Teamentwicklung ist ein effektives und Wirksames Instrument und kann dabei helfen, die Produktivität und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) des Teams signifikant zu verbessern.

Anwendung 3 – Three good things

Abbildung 4: Positiver Tagesrückblick oder Tree good things

Eine weitere wirksame Möglichkeit, um einen positiven Sinn im Projekt zu erzeugen ist ein positiver Tagesrückblick. Die Bezeichnung dieser Methode variiert. Seligman und Peterson nennen sie Three Good Things, im Deutschen ist die gängigste Benennung positiver Tagesrückblick. Die Aufgabe besteht darin, dass man sich regelmäsig Zeit nimmt, um den Tag Revue passieren zu lassen und dabei positive Momente reflektiert. In der klassischen Intervention soll dies schriftlich geschehen, und zwar anhand zweier Fragen: „Was war heute schön? Und warum war das schön?“ Peterson (2006) begründet dies damit, dass die Frage nach dem „Warum“ dazu führt, dass intensiver über die positive Erfahrung nachgedacht und sie bewusster nacherlebt wird.

Die Frage „Warum?“ führt jedoch manchmal in Gedankenschleifen. Daher empfehle ich an dieser Stelle die Formulierung „Wie habe ich dazu beigetragen, dass ich diese Erfahrung als schön erleben konnte?“ Diese unterstützt explizit die Selbstwirksamkeit – den eigenen Beitrag zum Wohlbefinden – und regt dazu an, eigene Strategien zu entdecken, die positiven Erfahrungen zugrunde liegen.

Zusammenfassung

Positive Psychologie ist eine Teildisziplin der akademischen Psychologie. Sie wird als die Wissenschaft vom gelingenden Leben bezeichnet. Im unternehmerischen Kontext ist die Anwendung des Positive Leaderships relevant. Als ein Beispiel zur Teamentwicklung habe ich einen Team-Match auf der Basis der sechs Tugenden und 24 Charakterstärken vorgestellt. Dabei werden die Talent-Profile der einzelnen Teammitglieder zu einem Gesamt-Talent-Profil kombiniert. Mit dieser Maßnahme wird das Fundament gelegt für leistungsfähige (Projekt)-Teams auf der Basis von Positiver Psychologie.

Positive Psychologie hat noch viele weitere Erkenntnisse zu einem gelingenden Leben. Es bleibt spannend.

Bei Fragen zum Thema oder bei einem Wunsch auf persönliche Beratung oder ein Training sprechen Sie mich gerne an.

Viele erfolgreiche Projekte wünscht

Projektstart

Gerhard Wirnsberger, M.Sc.

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